BRIEF AN DIE AKADEMIE DER KÜNSTE

Ottmar Bergmann, Ass. jur
– Kunstwindhund –
In Schweden: Gylsboda Art-Center 25. Oktober 2013
Postbox: 2432
28070 Lönsboda/ SVERIGE
Tel.: 0046 479 51059
E-Mail: mette.aarre@telia. com


An die

AKADEMIE DER KÜNSTE
Herrn Klaus Staeck und
Frau Rosa von der Schulenburg
Postfach: 210250
10502 Berlin


Sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren,
sehr verehrte Frau Rosa von der Schulenburg,
lieber Klaus Staeck,

zugegeben: Ich habe mir über Ihren Mail Art-Call keine Illusionen gemacht, als ich Ihnen von Schweden aus meine Mail Art- Beiträge anvertraute. Ich sah schon an Ihrem Call, dass heutige Mail Art in dieser Präsentation vielleicht ein Lückenfüller, jedenfalls ein „fünftes Rad am Wagen“ sein würde. Leider wurde ich nicht enttäuscht. Ich ersehe anhand vieler kritischer Arbeiten und erfahre aus Gesprächen mit Kolleginnen (z.B. Angela Behrendt) und Kollegen, dass sie ähnlich dachten wie ich. Viele Einsendungen aus Deutschland sind gegenüber der Institution Akademie der Künste  ausgesprochen kritisch. Anders erscheint dies allerdings bei vielen internationalen Mail Artisten anderer Länder. Sie haben dort Erwartungen erweckt, die Sie – jedenfalls bislang – nicht eingelöst haben.

Man geht da ja von einer Institution des kulturellen Lebens aus, die ihre übernommene Aufgabe professionell auf internationalem Niveau erfüllt. Just das aber leisten Sie mit dieser Ausstellung nicht. Die eigentlich immer zu erwartende Dokumentation für alle Beteiligten harrt offenbar auf ihre
Versendung, ob sie schon hergestellt ist, weiß man nicht und die Frage, wie und wo die eingeschickten Kunstwerke archiviert und für die Zukunft aufbewahrt werden, hat den Charakter eines Geheimnisses.

Ich war bei der Vernissage anwesend und besuchte die Ausstellung vor wenigen Tagen nochmals. Sie schreiben: 320 Teilnehmer aus 38 Ländern. Eine wunderschöne internationale Repräsentanz, die möglicherweise sogar den sachunkundigen „Kultursenator“ des Landes Berlin bei all seinen Pleiten und Fehlleistungen zu einer positiven Äußerung veranlassen könnte. Nun, über einzelne Künstlerinnen und Künstler der Sektion bildende Kunst möchte ich mich nicht auslassen, denn da gibt es welche, deren Werk ich schätze. Aber sehen sie sich die gewichtige Reihe der Nichtkünstler an, die jedenfalls von den Vorschlägen des Zeichners Daniel Chodowiecki ausgenommen sind, Leute, die der bildenden Kunst nicht dienen sondern sie autoritär beherrschen und unterdrücken. Diese Leute haben doch den Kunstverhinderungsbetrieb in Deutschland hergestellt und betrieben. Reinigt erst einmal Eueren Tempel von diesen Übeltätern. Sie reproduzierten ständig in Großausstellungen die immer gleiche, abgestandene Kunstproduktion der immer gleichen männlichen Künstler im Interesse der Galerie Werner. Von solchen Leuten kann man keinen Dienst an der andersartigen lebendigen Kunst erwarten. Die Ausstellung „arte postale“ mag ja in den verschiedenen Teilen informativ, auch sinnvoll sein, manches Gute und Schöne ist zu sehen und zu entdecken, jedoch ist sie wenig mediengerecht und orientiert sich zu sehr an arrivierten Namen. Die Sammlung von Dr. Lutz Wohlrab ist interessant und informativ. Ich schätze durchaus Bilder von Emil Schumacher, doch seine mit Silber signierten Kunstpostkarten offenbaren das herunter gekommene Verhalten von Filmstars, die kreischenden Fans im kindlichen Alter Autogramme geben. Letztlich ist dieses dem Filmgewerbe entlehnte populistische Verhalten eines guten Künstlers moderner Malerei unwürdig. Warum zeigt man etwas, das noch nicht einmal Kleinkunst ist? In Frankfurt am Main, beim Freien Deutschen Hochstift gab es vor einigen Jahren die Ausstellung „Der Brief – Ereignis und Objekt“. Sicher haben Sie den Katalog in Ihrer Bibliothek. Da hätten Sie begreifen können, was das Medium im Sinne von Marshall McLuhan einer Postkunst als „Eigen-Art“ abgibt. Ihre Ausstellung der heutigen Mail Art, primitiv an die Wand getackert, ist nicht mediengerecht und reduziert deren Botschaft fast auf ein Nichts. Nicht bemerkt haben Sie, dass z.B. die reichlich ausgebreiteten Bildbeispiele von A. R. Penck sich selbst als Bildchen entlarven, ihrem eigenen Hier und Jetzt nicht gerecht werden. Sie sind dürftig und in sich retardierend sinnlos: ein Pferd mit der Aufschrift Kapital trägt weder etwas bei zum Gaul noch zum Begriff der investierten Geldanhäufung. Es fehlt am Hafer und an Gehirngrütze. Nur der Misthaufen der Geschichte droht, allerdings hier visuell nicht gestaltet.

Offenbar haben sie sich auch nicht an Abmachungen gehalten. Frau Hanne Forstbauer vermisst den Druck des sehr schönen Bildbriefes von Walter Stöhrer an seinen Prof. HAP Grieshaber im Katalog. Man darf sich doch fragen, wie es kommt, dass diese erstklassige, geistreiche Arbeit im Katalog nicht erscheint, jedoch dem infantilen Geschreibsel des Jonathan Meese gleich zwei Seiten gewidmet sind. Damit Sie nicht meinen, es käme mir auf eine unsachgemäße Polemik gegen Ihre Ausstellung an, lege ich Ihnen gerne als Anlage meine Rede zur Eröffnung einer Mail Art-Ausstellung in Berlin am 20. Oktober bei, daraus können Sie ersehen, welche Gedanken ich zur Mail Art an der Sache orientiert artikuliere und diskutiere.

Ich jedoch halte Ihre Einstellung zu Werk und Arbeit von Johnathan Meese für eine den satzungsgemäßen Grundsätzen der Akademie der Künste entgegengesetzt und dazu niveaulos. Ich möchte Sie fragen, ob Sie sich einmal gefragt haben, was wohl Thomas Mann, Berthold Brecht und Gottfried Benn zu den Auslassungen dieses für die Malerei und Zeichnung unbegabten Spießers gesagt hätten. Der Trick dieses Künstlers, dessen Kunstfreiheit um der Kunstfreiheit willen ich immer verteidigen würde, ist doch, genau das herzustellen, was Spießbürger schon immer über moderne Kunst gesagt haben: durchgeknallt. Dieser Künstler biedert sich dem heutigen Spießer-Publikum in der Weise an, wie sich Adolf Hitler den kleinbürgerlichen Massen angebiedert hat, indem er immer sagte, was diese zu hören wünschten. Jonathan Meese ist ein Anpassler im Schein einer leidenschaftlichen Radikalität. Das Problem ist im wesentlichen nicht er, der in seiner Kunstbehauptung des „Durchgeknalltseins“ tun kann was er will, das Hauptproblem ist das kulturell niveaulose Publikum, das dies für sich als Kunstausübung hinnimmt. Sich abwenden wäre die richtige Reaktion. Ich sehe die Akademie der Künste just im kumpel- und schergenhaften Einvernehmen. Sie sind ein Teil des Problems, indem sie diesen zeitgeistigen Faschistenschmuser auch noch protegieren. Scham wäre einer solchen Kulturinstitution, die hier an der humanistischen Tradition der deutschen Literatur versagt, angemessen. Möglicherweise wollen sie bei dem derzeitigen Zeitgeist, der das Wort von „der Generation Meese“ publiziert, mithalten, um nicht als unzeitgemäß zu erscheinen. Muss ich Ihnen sagen, dass es nach den Reichstagswahlen von 1933 besonders zeitgeistig war, in Massen vor den Nazi-Parteibüros Schlange zu stehen und um Beitritt zu bitten, „Heil Hitler“ (wie heute Jonathan Meese) und „Juden raus“ zu brüllen und die „Fahne hoch…“ oder „Knochen morsch und morscher….“ zu singen? Das war damals der Zeitgeist, in der die Sprache des Unmenschen fortschritt (Sternberger; Storz; Süskind „Aus dem Wörterbuch des Unmenschen.“ Wollen sie als Akademie der Künste solchen sprachlichen Zeitgeist akzeptieren und protegieren? Glauben Sie bitte nicht, sich selbst mit lascher Liberalität beschwichtigen zu können, indem sie mich als senilen Querulanten  und Wichtigmacher abtun, was ihnen zur Abwehr und Erkenntnisverweigerung jedoch unbenommen bleibt. Dann bleiben Sie halt uneinsichtig …… .

Faktisch haben sie folgende Situation mit dieser Ausstellung produziert: Jonathan Meese hoch, internationale heutige Mail Art mit 320 Einsendern runter. Was  also ist falsch an Ihrer die Beteiligten und die Kunstwerke selbst beleidigenden Repräsentation? (Damit sie nicht meinen, ich kritisiere Sie ohne den Hintergrund besserer Leistung, empfehle ich Ihnen den Besuch der Mail Art-Ausstellungen des Mail Artisten Rainer Wieczorek, Reuterstraße 85, HH, Tel.: 6134562 in 12053 Berlin-Neukölln zum Mail Art-Call „Widerständigkeit als Pflicht, – eine Hommage auf Georg Büchner“. Exhibitions on 8 locations in Berlin.) Sie ist noch zum Ende des Monats Oktober an mindestens drei Orten zu besichtigen:

  1. Galerie Zwitschermaschine, Podsdamer Straße 161, 10783 Berlin.
  2. galerie gad, Reuterstraße 82, 12053 Berlin-Neukölln, wo ich von 16 bis 19 Uhr diskussionsbereit warte.
  3. Schaufensterausstellung Galerie R31, Reuterstraße 31, 12047 Berlin.

Rainer Wieczorek hat das alles ohne öffentliche Mittel selbst organisiert und eingerichtet.

Ihre konkreten Fehlleistungen:

  1. Kunstwerke ohne jegliche Sensibilität, in sie Löcher einstanzend brutal, mit dem Tacker an die Wand geknallt, nach dem Motto: Neuzeitliche, heutige Mail Art immer an der Wand, an der Wand entlang ….., mehr Verachtung kann man künstlerischen Arbeiten auf Papier nicht antun. Jedem Papierrestaurator kommt das Grausen.
  2. Sie waren bislang zu faul, zu bequem oder zeitlich zu schlecht organisiert, eine Namensliste der Einsender/Innen aufzustellen, die einzelnen Namen auszuschneiden und neben der jeweiligen Mail Art anzubringen, so, dass die  Betrachter sehen, welches Werk zu welchem Autor gehört.
  3. Sie haben alle Arbeiten neben- und übereinander ohne Abstand ?zusammengepatscht?. Arbeiten die über Körperhöhe oben angebracht sind, muss man mit dem Fernrohr ersehen. Feldstecher aber stellen sie nicht zur Verfügung. Unstrukturiert ergibt das Ganze eine anale Anhäufung ohne notwendige Differenzierung und  Individualisierung, Abstände zwischen den Arbeiten gibt es nicht.
    Vielleicht hat ja jemand unter Ihnen die Möglichkeit gesehen, ein Gesamtkunstwerk im Sinne von Anselm Kiefer zusammen zu kleistern. Unsere Mail Art als Ihr Rohstoff für Ihr eigenes Kunstwerk? Das steht Ihnen nicht zu. Sie haben der bildenden Kunst sachgemäß zu dienen, nicht über sie zu   herrschen. Sie sind Angestellte einer Kulturinstitution, sie werden von öffentlichen Geldern ernährt. Sie haben Ihre Arbeit gut für die Kunst anderer zu machen. Wenn Sie künstlerisch tätig sein wollen: kommen Sie zur Mail Art. Sie sind herzlich eingeladen.
    Offenbar sind Sie mit dem Medium Mail Art nicht vertraut, verhalten sich dilettantisch, vor allem sind Sie mit der überall geübten Technik, Werke der Mail Art an Schnüren zu hängen, nicht vertraut. Man kann nämlich für sehr wenig Geld metallgespannte Klämmerchen kaufen, die das Papier nicht beschädigen.
  4. Sie haben in der Ausschreibung eine Dokumentation und Archivierung versprochen. Frage: Wann  ist diese erstellt und wird sie den Beteiligten, – wie üblich per Post -, zugeschickt? Dies ist Standard im internationalen Mail Art-Network.Es ist zu hoffen, dass dies kein leeres Versprechen war. Ich habe Sie nicht zu belehren, doch die Errichtung eines Zweiklassensystems in der Kunst innerhalb einer Ausstellung, diese Diskriminierung heutiger Mail Art als Grobzeug an die Wand gepresst, dagegen wehre ich mich und ich hoffe, ihnen mitgeteilt zu haben, dass nicht nur ich,  sondern andere Künstler/Innen auf Sie und damit auf die Akademie der Künste richtig sauer sind. Sie hatten Mittel und  Hilfskräfte genug, die Ausstellung fair  und mediengemäß optimal zusammenzustellen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihnen das unbeabsichtigt unterlaufen ist.

Doch wenn Sie so unerfahren gewesen sein sollten, denke ich, dass das Studium der beigefügten Anlagen Ihnen einen Begriff gibt, was Mail Art heute sein kann und auch ist.

Das Wort Kurator meint im Übrigen, dass man etwas pflegen, ihm dienen soll und es nicht der beleidigenden Zurücksetzung aussetzt.

Mit freundlichen Grüssen