AN DIE AKADEMIE DER KÜNSTE

Berlin am 7.11.2013

Rainer Wieczorek
Reuterstraße 85
12053 Berlin

An die Akademie der Künste
Frau Rosa von der Schulenburg
Pariser Platz 4
10117 Berlin

Sehr gehrte Frau Rosa von der Schulenburg
erste Reaktion auf ihre Antwort zum Offenen Brief des Kollegen Ottmar Bergmann

Ihre Definition der Mail Art zielt auf Nebensächlichkeit die ausgelegt werden kann wie es gerade beliebt; also willkürlich. Die Mail Art ist aber für viele Künstler Lebensinhalt und Bestandteil im System Kunst und wird von diesen historisch eingeordnet, Bezüge hergestellt. Ein oft gesehener, wenn nicht gar dominierender Bezug unter Künstlern ist DADA, Fluxus, Mail Art als deren Folge zu betrachten. Der Dadaismus versetzte die Bildende Kunst in den Stand, eine Art „Philosophie der Kunst“ zu sein und im weiteren Verlauf der Geschichte wurde sie das auch trotz vieler Missverständnisse und Behinderungen. Aus dem Dadaismus folgt aber auch, dass Künstler ihre Arbeit tun und durch diese Arbeit Mail Art als Kunst definieren und dieser einen Stellenwert im Gesamtsystem der Kunst geben. Bei der Mail Art einzelne Arbeiten zu nehmen und diese in Vergleich mit traditionellen Werken der Bildenden Kunst zu bringen und daraus eine Überlegenheit der traditionellen Bildenden Kunst durch einzelne Werke zu postulieren, kann nur ein falscher Ansatz sein. Die Mail Art ist nach wie vor in der Entwicklung und eine meiner Hypothesen ist, dass die Künstler bereits dabei sind, eine erweiterte Weltsprache zu entwickeln. Rudimente lassen das erahnen und aus meiner Sicht werden daran noch Generationen von Künstlern arbeiten und auch andere Professionen werden sich „mail art-gerecht“ beteiligen. Ich rede hier von ernsthafter Arbeit, wozu ich auch Witz und Humor zähle. Ich füge ein Eigenzitat in den Text.

„Mail Art kann ja jeder, wenn er will. Sie kommt aus dem Guten der Kunst und wendet sich an Alle. Impulse zur Empathie für das Menschliche, mit Mitteln der Kunst, für ein Thema dem sich ein Mail Art – Projekt stellt. Projekte mit Themenstellungen sind nicht zwingende Spielregel, aber die Hinwendung zu einer Grundannahme von der aus sich Mail Art von den klassischen Techniken der Kunstausübung absetzen kann und somit seine spezifische Berechtigung in den Kanon der Kunst festschreibt. Dass Mail Art „Denk Art“ sei, ist eine grundlegende Ausgangssituation zum Mehrwert des Kunstsystems und der Mail Art selber. Die „Denk Kunst“ ist eine Öffnung zur Spracherweiterung durch und in der Kommunikation. Beuys sah die Erweiterung der Sprache durch die Zeichnung gegeben. Ich meine aber, dass im Netzwerk der Mail Art sich möglichkeitsreichere Varianten zur Spracherweiterung anbieten. Das Netzwerk erhebt den Anspruch Gespräche mit allen zuzulassen. Quer durch die Sprachen und Bildwelten und der Fülle an Gestaltungstechniken kommen noch kulturelle und soziale Prozesse hinzu. Auch das Taktile und Sinnliche, das dem Computer fehlt, lebt hier auf und konkretisiert sich. Durch die Mitteilungsfantasien, die in die breite der Kulturtechniken hinein ragen, mit einer demokratischen Unbedingtheit offener Spielregeln und den Melodien zur Anarchie ergibt sich die Eigenständigkeit der Mail Art als Beitrag zum Erweiterten Kunst- Begriff. Anarchie, ein kriminalisierter Begriff im deutschen Heute, lauthals ausposaunt von den egoistischen Machtverliebten. Anarchie ist aber ein politischer/ gesellschaftlicher Freiheitsanspruch ohne Machtausübung über Andere und die Anderen haben keine Macht über Menschen. Ein utopischer Gedanke, den ich liebend gerne mitentwickele, der Gedanke einer Demokratie mit offenen Grenzen zur Anarchie. Im Selber-Denken, Selber-Handeln, Selber-Sein in der Menschwerdung verankert. Arbeit an der Entwicklung des Weltbürgers in

der weltumspannenden Kommunikation. Als Konzept zur Erlangung einer menschlichen Menschheit, zur Menschlichkeit eines  jeden Einzelnen mit seinen Beiträgen und Gestaltungskompetenzen in Harmonie bringend, das Ich zur Menschheit. Mail Art kann hierzu als Beitrag und Vorspiel aufgefasst werden. Lassen wir uns das Spiel nicht verderben, lass dir das Spiel nicht verderben.“

Rainer Wieczorek, 2011.

Den Gedanken dass sich die jeweilige Menschheit als Menschheit denken kann, habe ich schon bei Novalis gelesen. Diese Kategorien von Menschheit – Denken ist nicht unbedingt Alltagssituation, aber eine erhöhte Sensibilisierung kann jetzt schon beobachtet werden.

Ich werde mich gesondert noch zum Thema „Mesel“ äußern.

Ich bitte Sie, Ihre Briefpassage zur Hängung der Mail Art noch einmal zu durchdenken, es geht hier nicht um Eitelkeit wie Löcher oder Rahmen ja/nein, sondern Respekt vor den Individuen die etwas der Akademie der Künste mitteilten. Mail Art ist eine demokratische Kunst und hier ist eine Gelegenheit diesem Staat und dieser Gesellschaft mehr Demokratie aufzuzeigen und abzuverlangen.

Eine kleine Polemik, die bereits am kursieren ist, kann ich mir nicht verkneifen am Schluß des Briefes, wo er über Staat-Gesellschaft-Demokratie zu sprechen kam. Ihnen hat ein Scherzbold den Spitznamen verpasst:

„Die Rosa Antoinette von der Akademie“

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Wieczorek