Theorie – Würde – Praxis

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. … In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.“ Drei Sätze aus unserem Grundgesetz.

Was ist Würde? Würde hat eine Dimension. Würde beginnt beim berühren deiner Haut. Ein Opfer weiß das. Die Opfer des zweiten Weltkrieges haben diesen ersten Satz zu einem Grundgesetz gemacht. Die Unverletzlichkeit deines Leibes ist absolut und wer dagegen verstößt, hat ein Verbrechen am menschlichen begangen. Im täglichen Leben der Gesellschaften ist die Verletzung der Würde des Menschen Regelfall und es ist eine Sisyphusarbeit die Unantastbarkeit der Würde des Menschen im täglichen zu behaupten.

Deine, Unsere Würde steht auch immer im Kontext zum Staat, zu Deutschland. Und hier bin ich bei den Herren Schilly und Schäuble, die das Amt des Innenminister hatten und haben. Beide Minister wollten und wollen das Grundgesetz verlassen. Man plant die Möglichkeit des Abschusses von Zivilflugzeugen, sollten diese in der Gewalt von Terroristen sein und als Waffe genutzt werden könnten. Herr Schäuble will da noch zusätzlich die Unschuldsvermutung aufheben und den Schnüffelstaat ausbauen. Das heißt fortan ist jeder Bürger gleich verdächtigt ein potentieller Terrorist zu sein. Die für das Abstraktum Staat verantwortlichen und tätigen Bürger denen eine Funktion auf Zeit zugestanden wird, wollen ihre Arbeit auf diesem Gebiet einerseits bequem gestalten und dazu, das ein mögliches persönliches versagen ohne Konsequenzen bleibt. Ich höre es schon das tiefe bedauern über diese vielen Toten der Flugzeugkatastrophe am Morgen des 12. Septembers. Nach Lage der Dinge konnten wir nicht anders Handeln, wir mussten schlimmeres verhindern. Einige Tage später, es wäre auch anders gegangen, der Minister als vorderster Entscheidungsverantwortlicher in einer langen Kette, tritt endlich zurück. Das Tagesgeschäft der Politik geht weiter.

Diese Sandkastengeneräle vergessen eins, sie provozieren geradezu eine kriegerische Strategie und das unter erheblich günstigeren Voraussetzungen für den „Angreifer“. Diese Herren sind als Politiker Feige und als „Generäle“ Dumm.

Im Krieg wird immer wieder die Zivilbevölkerung taktisch eingeplant, ist immer wieder Opfer.

Es ist ein Fiasko für freiheitliche, den Menschenrechten verpflichtende Demokratien, wenn sie Kriegsstrategien in ihre Systeme einarbeiten. Das zur Normalität für das zivile Leben in Friedenszeiten erklären. Am Ende haben wir ein Paradoxon: Gewählte Diktatoren auf Zeit?

Der 11.September war ein Todestag für viele Opfer, dieser Tag darf für die Hinterbliebenen alle Dramatik haben, der sie sich annehmen wollen. Für den Rest der Welt ist es ein Trauertag von vielen, wir können gar nicht soviel weinen, wie es derer gibt. Nur das Opfer weiß vom Krieg und Opfer ist Opfer, Sonderstellungen sollte man sich nicht erlauben. Hiroshima tut noch immer weh, der zweite Weltkrieg wird seine Spuren noch Jahrzehnte zeigen, der erste Weltkrieg hat immer noch was neben her, Vietnam, Palästina, Jugoslawien, Irak, Darfu. Tägliches sterben, tägliches Leiden. Opfer, Opfer, Opfer.

Würde hat eine Dimension, sie ist erweiterbar und diskutierbar. Wir müssen unsere Würde für das Heute definieren und in eine erweiterte Basis stellen. Ich halte es für würdelos in einem reichen Land in Armut gehalten zu werden. Ich halte es für würdelos das Bildung ungerecht in dieser Gesellschaft verteilt wird. Ich halte es für würdelos das Obdachlosigkeit in diesem Land möglich ist. Unser Reichtum, unser Kapital wird ungerecht und uneffektiv verteilt. Die ungeliebten Hartzgesetze befördern Gegenpositionen. Da ist das Bürgergeld oder das bedingungslose Grundeinkommen. Beides sind Modelle, die die soziale Frage durch Geldtransfer regeln wollen. Meine Vorstellung von Chancengleichheit, Gerechtigkeit und teilhabe am gesellschaftlichen Leben greifen bei der Geburt. Ich trete ein für ein Gestaltungskapital das jedem hier geborenen Menschen sein Leben lang zur Verfügung steht. Das Gestaltungskapital ist nicht ausschließlich Bargeld. Bei der Bildung wären es Chancengleiche Budget die einem zustehen und die jeder über sein Leben verteilt selbstbestimmt einsetzt und dies pompös, weil dieses Land intelligente Menschen braucht. Einem jeden Menschen sollen Grundnahrungsmittel zustehen, einfachste Lebensmittel. Eine Grundversorgerwohnung und die darf bescheiden sein. Eine medizinische Grundversorgung sollte ebenfalls gewährleistet sein und Bargeldbesitz der gesellschaftliche Teilhabe erlaubt. Das sollten Freiheitsrechte sein, eine annähernde Chancengleichheit und ein Würdegarant für die Menschen. Diesen Menschen wird nun Arbeit angeboten und diese muss attraktive Anteile haben, wenn sie denn einen Arbeitnehmer finden will. Der Arme, um seine Existenz bangende Mensch darf nicht mehr erpressbar sein durch den Reichen der ihm Arbeit gibt, nach dem Motto: Arbeite oder Stirb. Unattraktive aber gesellschaftlich notwendige Arbeit muß dann so kombiniert werden mit attraktiven Elementen das genügend Arbeitnehmer sich finden. Unsere Gesellschaft sollte sich so organisieren das man für Konsum, Luxus und Bequemlichkeit Arbeiten muss und Steuern zahlt. Kapitalismus für Luxus und Schnikschnak. Kommunismus für die Grundbedürfnisse. Ein Paradies auf Erden schaffen und sein „Schloss“ darf sich jeder selber bauen. Rainer Wieczorek, Berlin April/Mai 2007

Sie sind herzlichst eingeladen:
Rainer Wieczorek zeigt: Theorie – Würde – Praxis
Malerei/Zeichnung/Installation/Theorie, 21.5.07 – 6.9.07

Vernissage: ab 20°°, 19. Mai 07. mit Performance „Gestaltungskapital“ Vortrag und Diskussion

Kreuzberger Stadtteilzentrum, Lausitzer Str. 8, 10999 Berlin, Tel. 612 66 66
 Mo./Mi.15.00 – 18.00 Uhr, Di.14.30 – 18.30 Uhr, Do.14.30 – 17.30 Uhr

(Sommerpause: bei Redaktionsschluss nicht bekannt)

Februar/Mai 2007

„Ich will die Gesellschaft mitgestalten – von mir aus auch die ganze Welt“

Rainer Wieczorek über den Kunstbetrieb und sein ehrgeiziges Stiftungsprojekt „KUNSTdemokratie“

Kunst und Demokratie sind zwei Begriffe, von denen häufig behauptet wird, daß sie nur schlecht zusammenpassen. Ein Zyniker wie Heiner Müller hätte gesagt, daß Demokratien schlechte Nährböden für Kunst sind. Andererseits kann man sich auch besorgt fragen, was dabei herauskommen soll, wenn „demokratisch“ über Kunst abgestimmt wird.

Als Künstler ist man ja auch ein Staatsbürger. Man lebt in einem Staat, einer Gemeinschaft, das ist mein Gedanke. Ich stelle mir erst mal vor, daß es ein gegenseitiges Interesse geben könnte, daß sich politisch engagierte und kunstinteressierte Menschen füreinander interessieren und möglicherweise gemeinsam Projekte machen, um besser zusammenleben und existieren zu können. Ich sage das in erster Linie als Bürger und nicht als Maler, der demokratisch malt. Ich hab jetzt nicht die Vorstellung, daß man eine demokratische Kunst machen müßte, daß fünf Leute bestimmen sollten, wie ein Bild gemalt wird.

Mir geht es darum, Kunst nicht den Kapitalmärkten zu überlassen, diktiert von Angebot und Nachfrage. Übergeben einem Markt auf dem wenige Menschen Kapital einbringen. Nein. Die Wahrscheinlichkeit auf urteilsfähige Augen und Verstand zu treffen, ist im Bereich der Kunst zufällig. Es gibt keine Systematik, nur trunkene Zuversicht.

Mit ihrer Stiftung wollen Sie auch opponieren. Wo sehen Sie den Oppositionsbedarf?

Ich begreife mich selbst als Opposition, weil ich auf dem Markt so gut wie nicht vertreten bin. Es gibt keinen Galeristen, der mich nährt, und es kommen auch keine Medien, die mich nach meiner Meinung fragen. Ich muß mich halt durchs Leben schlagen, recht und schlecht. Und ich habe auch den Eindruck: Je höher Kunst dotiert ist, desto miserabler ist sie. Dagegen will ich Opposition machen.

Ich habe mich jetzt 30 Jahre abgestrampelt und hoffe, daß noch 30 oder 40 dazukommen. Ich will vermeiden, daß meine Arbeit einfach unter den Teppich gekehrt wird. Ich will mit der Arbeit, die ich mache, die Gesellschaft mitgestalten – von mir aus auch die ganze Welt, wenn sie denn Interesse hat. Ich gehe davon aus, daß es hier und in der ganzen Welt eine Menge Künstler gibt, die kaum beachtet werden, deren Werk aber bewahrt werden müßte.

Mehr als 20 Jahre habe ich mich auf die Reifung meiner Kunst konzentriert. Kunstvermarktung und Öffentlichkeitsarbeit habe ich immer wieder nur angetestet und hier Erfahrung gesammelt. Die bisherige Summe meiner Erfahrungen, Analysen und Thesen zur Gesellschaft und Welt, bringen mich zu der Erkenntnis das ich mich auf die Kunstsysteme und den in ihnen agierenden Menschen nicht verlassen kann.

Welche Erfahrung haben Sie in den 30 Jahren mit dem Kunstbetrieb gemacht?

Ich habe einen Galerie-Marathon durch mehrere Städte hinter mir, mit dem Mäppchen unterm Arm. Man kriegt abweisende Meinungen. Die Galeristen haben alle ihr kleines Programm und bemühen sich auch nicht, die große Spanne an Kreativität, die ja vorhanden ist, in irgendeiner Weise abzubilden.

Haben Sie den Eindruck, daß die Ausschlußgründe ästhetischer Natur sind? Geht es dabei um Inhaltliches?

Wenn ich das nur wüßte! Ich bekomme in der Regel die Begründung: Paßt nicht ins Programm. Also muß es mit dem Inhalt zu tun haben.

Ich denke, die Künstler müßten sich mehr Gedanken über die ökonomische Seite ihrer Arbeit machen. Und wenn die Kunsthandelstruktur nicht ausreicht, die Masse von Künstlern in Arbeit und Lohn zu bringen, dann sollten sie überlegen, wie sie das selbst hinkriegen.

Wenn man größere Gruppen bildet, kann man gemeinsam überlegen, wo man Verdienstmöglichkeiten hat. Man könnte zum Beispiel einfordern: Wir wollen unsere Städte und Landschaften gestalten. Warum soll das immer alles der Architekt machen? Hier wäre eine Verdienstmöglichkeit. Und die eigentliche, freie künstlerische Arbeit müßte sich dann nicht so sehr an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientieren. Der große Markt mit den teuren Bildern kann ja nebenher auch noch existieren. Den will ich ja nicht abschaffen. Das setzt auch eine Lernbereitschaft der Künstler vorraus.

Ich will mein eigenes Œuvre retten, aber auch das von anderen. Ich vermute das einiges an bedeutendem Kulturgut auf Dachböden, in Kellern unbeachtet auf seinen großen Auftritt wartet, aber auch auf die Müllabfuhr, bestenfalls auf einen Trödler. Ich vermute Vernichtung von Kunst, nicht mehr beweisbar, da sie zu Methangas gärt in unseren Müllbergen, da sie aus den Schloten dampft unserer Müllverbrennungsanlagen.

Ein Problem in der bildenden Kunst ist ja immer dieser Fetisch der Originale, die dann zu Spekulationsobjekten werden. Man könnte doch auch sagen, man umgeht diesen Markt und schafft dann vielleicht gar keine Unikate mehr, sondern Multiples oder medial vermittelte Kunst.

Dann müßte ich die Malerei verlassen. Aber das ist mein Metier, das liebe ich ja. Und das halte ich auch für wichtig und durch Medien nicht ersetzbar. Fernsehen kann kein Ölbild malen, sage ich immer. Malerei hat einen Erlebniswert, mit denen die elektronischen Medien nicht mithalten können. Da freut man sich an den roten Punkten, die in der Sonne glitzern.

Der Kunstbetrieb benutzt die Geschichten um Kunst und Künstler aus dem 19. und 20. Jahrhundert betriebswirtschaftlich zur Geldvermehrung. Und hier bin ich an einem Punkt, auf den ich mich ebenfalls nicht verlassen will, die Mär vom Ruhm nach dem Tod, der eigene. Da setzt dann der Verzweiflungsberuhiger der Erfolglosen ein, mit dem Standardsatz, „Qualität setzt sich durch“.

Ein erster Schritt zur Selbstorganisation war die Gründung der Produzentengalerie.

Im März 2005 habe ich mir offiziell den Titel Produzentengalerie gegeben. Die Vernissagen sind immer sehr gut besucht, und in den letzten Monaten konnte ich auch das eine oder andere Stück verkaufen. Ein durchschlagender ökonomischer Erfolg ist das aber noch nicht. Ich finanziere viel aus den Rücklagen, die ich noch habe aus dem Broterwerb und alten Verkäufen. Aber es funktioniert, ich muß nicht zum Arbeitsamt. Ich kann vom Verkauf meiner Bilder leben und mache hin und wieder auch andere Projekte, zum Beispiel Workshops für Kinder. Dafür bin ich mir auch nicht zu schade. Das würde ich auch noch machen, wenn ich Millionen verdienen würde.

Ich will mich auf diese Gesellschaft nicht verlassen. Ich will mich auf keine Erben verlassen. Ich will mich auf keinen Galeristen verlassen. Ich will mich nicht darauf verlassen vom „Kunstbetrieb entdeckt“ zu werden.

Ein wesentlicher Bestandteil des Stiftungskonzepts ist der Archivierungsgedanke. Sie sagen, es geht viel zu viel Kunst verloren, da gibt es Handlungsbedarf. Was bringt Sie aber nu zu dieser Auffassung? Ist das eine Vermutung? Oder haben Sie selbst Funde auf Dachböden gemacht?

Ich unterhalte mich mit etlichen Leuten, mit Kollegen wie Ottmar Bergmann. Der ist heute 70 und hat in seiner Generation auch ganz viele Künstler gekannt, die in der Versenkung verschwunden sind, die mal kurz auf dem Markt waren und dann wieder verschwanden. Und kein Mensch interessiert sich für sie. Es gibt inzwischen einige Leute, die das Problem erkennen. Ich lese immer wieder von Stiftungen und Initiativen, die sich um Nachlässe kümmern wollen.

Muß man wirklich so weit gehen? Ist es in einer Zeit der Informations- und Datenüberflutung nicht vielmehr nötig, selektiv vorzugehen? Ein Museum muß auch auswählen, und wenn Sie ein Stiftungsmuseum gründen wollen, dann müssen Sie je auch eine Auswahl treffen.

Es wird vielleicht gar nicht zu wenig archiviert, aber es werden immer nur die Stars archiviert. Das funktioniert ja auch in den Medien so, daß immer nur ein ganz bestimmter Ausschnitt gemeint wird, wenn von der Kunst gesprochen wird. Da bin ich immer gar nicht dabei. Schon in der Sprache findet der Ausschluß statt: Wir sind die Künstler und die anderen nicht. Dem will ich auch begegnen. Mehr Objektivität und weniger Inzenierung.

Sie wollen den Kunstbegriff entauratisieren und verbreitern. Sie wollen Kunst nicht als Elitesignum verstanden wissen, sondern sagen: Es gibt Kunst, und das ist ein sehr breites Feld, das man in dieser Breite ernstnehmen sollte.

In letzter Konsequenz vielleicht nicht alles ernstnehmen oder nur unter bestimmten Aspekten.

Ich möchte eine Stiftungsgalerie ins Leben rufen, von der dann ein Teil der Erträge der Stiftung zugute kommt. Der nächste Schritt wären Lagerräume, ein Museum, das die Bestände sichert und sich in der Öffentlichkeit legitimiert, das sammelt und Ankäufe tätigt, Nachlässe betreut. Ausstellungen organisiert werden, Forschung betrieben wird. Irgendwann ist dann ein Vermögen angehäuft, aus dem Projekte finanziert werden können.

Die Stiftung soll davon ausgehen, daß das blödeste Bild, das heute nicht einmal jemand geschenkt haben will, in fünfhundert Jahren einen Wert haben wird, im Sinne von Vermarktung. Im Sinne des weiteren Stiftungszwecks, Forschungsgegenstand zu sein, bleibt jede Arbeit relevant.

Wissen Sie schon, was Sie sammeln wollen?

Ich würde im eigenen Bekanntenkreis beginnen. Recherchieren. Vielen Kollegen ist es schon bewußt, den anderen wird es noch bewußt. Die haben alle dieselben Probleme. Sie haben jede Menge Bilder, sind nicht repräsentiert auf dem Kunstmarkt, haben auch keine Professur. Und da läuft nichts automatisch. Da kümmern sich bestenfalls Verwandte darum und diese müssen es sich auch leisten können. Darüberhinaus will ich die Sammlung nicht allein aufbauen, mir schwebt eine Stiftungskonzept vor das auch kollektives Handeln kennt.

Ich bin ein pluralistischer Mensch, ich will nicht wegkanten. Ich will mich behaupten, ich will nicht weggekantet werden, aber selbst will ich niemanden wegtreten. Ich bin kein Ellbogenmensch. Das ist nicht meine Vorstellung, durchs Leben zu kommen.

Interview: Florian Neuner, Zitate Rainer Wieczorek, „Berliner Stadtzeitung Scheinschlag“ 16. Jahrgang, 8. Ausgabe, Oktober 2006