EMAIL AN MATT GRAU

Lieber Matt

Danke für die Info. Ich habe schon selbstverständlichere Falschbehauptungen über den beginn von Mail Art gelesen.

„In Ray Johnsons Werken ist der Versand auf dem Postweg jedoch erstmals wichtiger Bestandteil seiner Arbeiten, weshalb er als Begründer der Mail Art gilt. “ Alexandra Panzert. Diese Aussage ist zu hinterfragen und neben der Behauptung auch durch Geschichtsforschung zu belegen oder zu widerlegen. Ottmar Bergmann hat mich auf Hendrik Nicolaas Werkman hingewiesen, ein guter Maler und wie es einer sehen will, ein noch besserer Drucker. In Wikipedia steht mehr als nachfolgender Text, aber schon hier kann Zweifel aufkommen am zitierten Satz. Was wahrscheinlich bleibt, ist das mit dem Werk von Ray Johnson im Verbund eines Poinsont:

„Der Begriff Mail Art wurde 1971 von dem Kunstkritiker und Kurator Jean-Marc Poinsot geprägt, aber erst nach einem Artikel des Künstlers David Zack 1973 in der Januar-Ausgabe der Zeitschrift Art in America im Mail-Art-Netzwerk selbst übernommen.“ wikipedia

Also die Begriffsbildung in dieser Zeit geschah. Mehr sollen die Behaupter und Abschreiber erst mal Beweisen, Kunsthistorisch. Das wenige was ich weiß über den Kollegen Hendrik fasste ich in dem Text zusammen:

Von den Feinheiten im Wortgebrauch, The Next Call

Hommage an Hendrik Nicolaas Werkman 29.4.1882 in Leens – 10.4.1945 in Bakkeveen (Niederlande) Drucker – Typograf– Avantgardist – Befreier der konventionell gedruckten Lettern – eine für die Mail Art Historik ernst zu nehmende Begründungsperönlichkeit. Wenn hier geforscht wird und wie die Blickrichtungen der Interpretation verlaufen, könnte die voreilige Annahme Ray Edward Johnson (1927-1995 USA) als Begründer der Mail Art festzulegen, sich als genau so Dumm darstellen wie der erste Europäer an den Nilquellen der im Beisein der dort lebenden Menschen, ausspricht er habe den Nil entdeckt. Da sind Blindstellen im Gehirn. Eine Okkupation von Weltdeutung aus der Sicht einer einzelnen Kultur ist anmaßend geworden. Kein Kontinent, keine Nation, kein Land, keine Religion, Kultur, Sprache, Kunst, ist mehr allein. Zu meinen es gäbe eine Weltmacht, es komme eine neue Weltmacht wird mit jedem Tag anmaßender. Hendrik schuf seinerzeit für seine freie Druckkunst im Jahre 1923 eine eigene Publikation „The Next Call“. Hendrik N. Werkman und Wybren Bos, ein ehemaliger Arbeiter blieben zusammen und druckten zusammen. Am 12.9.23 versendete Hendrik ein Pamphlet „Groningen – Berlin – Paris – Moskau 1923 – der Beginn einer violetten Jahreszeit“ an Freunde und Künstlerkollegen und sein Ausspruch „Kunst ist überall“ verwies darauf das diese demnächst Post erhalten (Mail Art sozusagen, vorallem wenn bedacht wird, das Hendrik kein Geschäftsmann war und er eher aus innerer Notwendigkeit Schuf.) Dann war es Tage später soweit, „The Next Call“ wurde von der Post überbracht und es konnte gelesen werden: : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : :

„EEN RIL DOORKLIEFT HET LIJF DAT VREEST DE VRIJHEID VAN DE GEEST“
(„Ein Schauer durchfährt den Körper, der die Freiheit seines Geistes fürchtet“)

Die Niederlande wurde im Mai 1940 von den Deutschen besetzt, der Krieg war da und nahm ihm 5 Jahre später das Leben. Hendrik Nicolaas Werkman wurde am 10. April 1945 in Bakkeveen vom deutschen Sicherheitsdienst erschossen – fünf Tage vor der Befreiung der Stadt Groningen.

Rainer Wieczorek 2011 (Zitate aus Wikipedia)

Es geht dann noch weiter , denn neben dem Korrespondenzgedanken im Netzwerk, kommt die Integration von „Nichtkünstlern“, der Non Profit Gedanke und die Juryfreiheit hinzu und dann wären wir bei den Eheleuten Hampel, die in Berlin der 40er Jahre Postkarten und Briefe verteilten, ihr Porto war am Ende das eigene Leben. Die Nationalsozialisten haben diesen beiden Widerstandskämpfer den Kopf abgeschlagen, in Plötzensee. Dieser Fall ist Romanvorlage bei Hans Fallada geworden „Jeder stirbt für sich allein“. Aber auch hier kann nicht einfach „wahre“ Geschichte abgeleitet werden, denn es ist zu vermuten das Johannes R. Becher um den Neuen DDR Menschen zu schaffen, Fallada, Akten zum Fall Hampel, ihm Fallada vorenthalten wurden. Abgesehen davon das zwei Kapitel des Romans vollkommen raus genommen wurden. Erst 2011 kam die ungekürzte Fassung her raus. Das ergibt sich über Manfred Kuhnke „Falladas letzter Roman Die wahre Geschichte“. Du siehst lieber Matt, ohne Beifallsschreiber kann von so manchem Künstler am Ende weniger übrig bleiben.

Dann wäre noch Anzumerken zu den tragenden Punkten was Mail Art ausmacht: Korrespondenzgedanken und Netzwerk, kommt die Integration von „Nichtkünstlern“, der Non Profit Gedanke und die Juryfreiheit hinzu. Das einige Akteure aus der Mail Art Szene sich nicht daran halten, mitunter Dumpfbackig und Überheblich, das da der Kopf wackelt.

Da gibt es noch einen Robert Rehfeldt der sagte mal (Gedächtnisprotokoll): „Mail Art ist Denk Art, ich schick dir einen Gedanken zu , Bitte denke ihn weiter“. Manchmal scheint es mir, ist dieser Gedanke im deutschsprachigen Raum unter Künstlern völlig in Vergessenheit geraten.

Herzlich WR

„Publiziert am 29. Januar 2013 von Alexandra Panzert , http://www.kunst-magazin.de (Seite nicht mehr erreichbar)

Die Kommunikation über Kunstwerke und deren postalischer Versand waren unter Künstlern schon immer üblich. In Ray Johnsons Werken ist der Versand auf dem Postweg jedoch erstmals wichtiger Bestandteil seiner Arbeiten, weshalb er als Begründer der Mail Art gilt. Seit Ende der 1950er-Jahre baute er sich so ein Netzwerk von über 200 Kontakten im Umfeld von Fluxus und Pop Art auf.

Der Katalog zu seiner Einzelausstellung in der Weserburg – Museum für moderne Kunst – gibt mit einem ausführlichen Katalogteil einen Einblick in das Spektrum seines Schaffen von Collagen, Mail Art, Lithografien bis hin zu Künstlerbüchern.

Ray Johnson. I like funny stories. Sammlung Maria und Walter Schnepel. Salon Verlag, Köln 2012, Dt./Engl.,128 S., zahlr. farb. Abb., Softcover, 22 €. ISBN 978-3-89770-415-2“