Die „Phänomenologie des Zeichnens“

Reflexionen

Dieser Titel hat mit meiner Arbeit, mit meinen Grundannahmen, mit meinem generellen herangehen an die Sache der Kunst zu tun. Ich suche, ich forsche, ich übe mich an immer wieder neuen Möglichkeiten an Formfindung. Meine zeichnerischen Welten lassen ans kindliche erinnern, andere kann man als surrealistisch bezeichnen, ich würde bei vielen Arbeiten von organischen Welten reden. Es wird Sprache, definierte Zeichen und zeichnerisches Denken kombiniert zu einer Gesamtaussage.

Direkter Realismus kommt auch vor und einen interpretierten Realismus pflege ich immer wieder. Der ein oder andere, der hier anwesenden wird ihn schon gesehen haben, an den Wänden und Pfählen Berlins. Wenn ich stänkere, abkotze, meine Satire loswerden will, aufrufe zur Mitgestaltung dieser, unserer Gesellschaft. Hier eröffne ich meine Meinung, aber in der Regel ist sie gedacht als Ausgangspunkt eines Ausrufens zu einem Prozess, den Sie eigentlich gestalten sollen. „Der Impulsgeber“.

Panta rhei, „alles fließt“, es gibt kein bleibendes Sein. Das Sein wird als ewiges Werden, als ewige Bewegung gedacht. Dieser Grundgedanke wird dem Philosophen Heraklit zugeschrieben.

Meine Kunst funktioniert ähnlich. Ich folge keinem Stil, die Gepflogenheit des Kunstmarktes der Wiedererkennbarkeit, interessiert mich nicht. Ich habe sehr früh dem Gedanken erforscht, Bilder zu malen, das von einem Bild zum anderen, der Maler über einen Stil oder eine Gewohnheit, nicht erkennbar ist. Absolute Einzelwerke.

Daraus wurden Serien, daraus wurde ein künstlerisches Atmen, zeichnen wie atmen und auch malen wie atmen. Aber immer in der Bemühung die eigenen Gewohnheiten zu stoppen, zu brechen. Die Welt der Kunst, diese Welt als solches zu bereichern. Das Neue, dem Unbekanntem auf der Spur.

Es gibt nichts Neues in dieser Welt, stimmt vielleicht, aber sich damit abfinden, wird garantiert nichts Neues in diese Welt bringen.

Meine Arbeit als Künstler ist eine ständige Bewegung, ein konzentrierter Punkt, um den herum es sich fortwährend bewegt.

„Eine Linie spazieren gehen zu lassen“… , „Hauptweg und Seitenwege“, erzählt uns Klee. Ich suche aber immer auch andere Wege.

„Ich suche nicht, ich finde“, lässt uns Picasso erzählen. Ich finde und suche und möglicherweise noch mehr.

Zufälle kann man Insich provozieren, nach Techniken forschen. Den Zufall in die Kunst einbauen, eine Grundidee des Surrealismus.

In der Kunst der Moderne, ist ein prägender Grundgedanke: „Das Unbekannte“.

Das Unbekannte und das sich behauptende Individuum halte ich für das prägende in der Kunst der Moderne, in der wir jetzigen Künstler uns Aufhalten.

Das zeichnerische denken ist anders als ein Denken in Begriffen.

Das zeichnerische denken vollzieht sich in Linien, Punkten, Formen, Flächen, Farben, Kontrasten. Dann ist da noch der Rhythmus, deine Musik, die sich einfärbenden Gefühle.

Ein freies Denken das sich nur auf dem Papier ergibt, ein Urteil fällt und das dann seine Resultate angefertigt hat.

Oder ein Zeichnen, das Gesetze und Vorgaben erfüllt und zu Resultaten kommt.

Die Zeichnung als Ursprung des Wortes, Worte als Vorraussetzung begrifflichen Denkens, Zeichnung als Erweiterung von Sprache.

Ein ständiges Zeichnen gehört zu meinem Künstlerdasein. Die Substanz meiner Arbeit, sind das Malen und Zeichnen. Beides gehört zusammen, nicht nur bei mir selbst und der Art meiner Malerei, in der die Linie dominiert, auf ihr basiert.

Jedem Maler, jeder Malerin empfehle ich die Schulung des Zeichnens für sich zu entdecken und zu nutzen. Im Zeichnen entwickelt sich eine enorme Formenvielfalt, Entschlussfreudigkeit und Konkretheit, die weiterbringt. Das Zeichnen bildet die Hand des Malers. Zeichnen ist für mich Bewusstseinsforschung.

Ein Blatt Papier und ein Stift, bergen ein unendliches Potential an Gedankenarbeit, die sich hier in die Materie eingräbt. Ein Baum, ein Farbklecks, Akt oder Ornament, Figürliches, Abstraktes bis Symbolistisches, das was Dadaismus, Surrealismus oder auch Kubismus genannt wird, kann immer wieder neu erfunden werden, oder wie ich es tue, diese Grundlagen, als evolutionären Arbeitsansatz auffassen. Die Welten eines Klee, Picasso, Miro oder des Beuys sind für mich nicht abgeschlossen. Ich gehe hier hinein spazieren, wandern, forschen erobern, verwerfen. In und an diesen Welten, zeichne und male ich weiter, und zeichne und male meine Welt.

Kunst spricht unsere Sinne an und der Begriff Phänomen beschreibt sich als „das Erscheinende, sich den Sinnen Zeigende“. Phänomenologie als Wissenschaft und in diesem sinne das Philosophieren ist umfassender als unmittelbare Denkverknüpfungen von Sinn und Reiz. Das Philosophieren im sinne der Phänomenologie beschäftigt sich eingehend mit dem Menschen als soziales Wesen. Hier, Sozial nicht in der ausschließlichen Definition von Wohltätigkeit, sondern sozial als alles das, was den Menschen als Gesellschaftswesen beschreibt. Sozial ist genau der Aspekt des Lebens, wo das Leben Gesellschaft lebt. Der Philosoph der Phänomenologie Denkt in Beziehungen zwischen Beziehungssystemen. Alles ist Prozess. Hier wird das Bewusstsein selbst, gedacht. Ich fühle mich hier wohl, denn das was Freiheit ist und auch sein könnte, wird hier gelebt in den Gedanken, die neue Menschen machen wollen.

Juni 2005