„Kollege Hölderlin gewidmet“

Ein Georg Büchner hätte sein geistiges, freiheitlich – rebellisches Potential als Empfehlung an die Frauen gegeben: die Beischlafverweigerung bis in die Hurenhäuser zu organisieren. Ein Hölderlin wäre da eher vertänzelnder – poetischer vermittelnder herangetastet.

Das sind Gedanken des Rainer Wieczorek aus einem noch entstehenden Text zum Revolutionsbegriff, aus dem abzulesen ist das hier ein Künstler sein Selber Denken trainiert. Seine Sprache modelliert sich in den letzten Jahren aus den Poesien, der Ideenwelt, den Widersprüchen des 19. Jahrhunderts.

HYPERION

(Frühestes Bruchstück)

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Das beste Wort verwirrt den Menschen oft,
Wenn er den treuen Tadel nicht versteht.
Er soll sich reinigen von einer Schlacke,
Er möcht´ es wohl, und weiß nicht wie und wo?

Und fällt sein Gutes an im Mißverstande,
Besiegt er es, so fühlt er wohl, er tue
Nicht recht daran, und siegt die Meinung nicht,
Behält ihr Recht die bessere Natur,
So straft er sich doch auch und zwiefach quält
Im Kampf mit sich selbst, der Arme sich.

Von lieben Phantasien sollte sich
Zu rechter Zeit der Knaben Sinn enthalten.
In einer Folgsamkeit verwundete
Der Törige die Wurzel seines Wesens,
Den jungen Trieb, zu wirken und zu siegen,
Und grämte sich, in seiner schmerzlichen
Erniedrigung und wähnte doch sie nötig.

Hölderlin

Wieczorek verknüpft dann immer wieder das gelesene, das selber geschriebene mit der Zeichnung, verfugt dies in der Collage und irgendwann wird auch eine Quintessenz in der Malerei gezogen, jenseits sprachlicher Herangehensweise. Intellekt, malerische Instinkte, Gefühle, Übungen, Gedächtnisleistung werden immer wieder verquirlt, nebeneinander, hintereinander zu Kunst im Einzelwerk postuliert. Eine Leichtigkeit des Seins erübt.

Sein Oeuvre ist unüberschaubar. Keiner hat es bisher gesehen. Ihm selbst fehlt eine Retrospektive, auch der Welt der Kunst, um zu sehen was da geschah. Das Oeuvre steht in einer Lagerhalle auf 25 Europaletten zwei Meter hoch gestapelt und nennt sich der Streikposten. Da sind noch mehrere Streikabteilungen eine Garage voll und mehrere Keller. Verstreute Leihgaben und Unterschlagungen. Das Atelier und die Produzentengalerie, da ist immer was zu sehen und zu kaufen. Kurz, von der Schaffenskraft ein unentdeckter Picasso.

In Bezug auf das Erfindungspotential wäre es dem Kunstmarktkünstlern überlegen, aber die im Dunkeln sieht man nicht und hier meint der Wieczorek sind Potentiale im Land erst noch von der Öffentlichkeit wahrzunehmen. Es sind da die Abseitigen des Westens und auch des Ostens erst noch in das Licht zu heben. Das waltende Establishment, die Kunstvermarkter und Kunstposauner, das Feuilleton nimmt ja im wesentlichen das Ranking der Kunstmarktkünstler wahr und erzählt hier ein Trugbild von Kulturnation. Dies erweckt, erzwingt beim Wieczorek seine widerständige Natur. Denn Zeitgenössische Kunst über Geld und Ranking zu definieren, gar zu legitimieren ist ihr Tod, da kann nur Dekoware und falsche Anpassung herauskommen. Das erzwang beim Wieczorek Gegenüberlegungen, Opposition. Die soziale Teilhabe wäre nur ein Punkt. Es geht ihm auch um Wissenschaftlichkeit in der Kunst, was heißt die Quellen offenlegen, in die Diskussion bringen. Die Künstler als große Gemeinschaft der Bezüge betrachten. Das Zitieren akzeptieren und nicht vom Klauen reden, von Urheberrechtsverletzungen mit Anwaltsdrohungen. Die Früchte sehen, die geerntet werden können wenn ein uneingeschränktes Prinzip Collage akzeptiert würde. Nicht nur die Meisterschwärmerei pflegen, sondern im unperfekteren die Ansätze zur besseren Kunst mit entdecken. Eine religiöse Verbrämung ist ihm ein Graus und hier wird es so manchem Kunstdummkopf leicht gemacht, denn es gibt seiner Meinung nach die Auffassung das Kunst nur Gut sein kann, im sinne von unböse und dies wird Mißbraucht und dann spricht er in diesem Zusammenhang über einen Kunst-Chauvinismus eines Künstlers den er als Mesel bezeichnet, mit seinen Propaganda Sprüchen zu seiner „Diktatur der Kunst“, mit Hitlergruß auf renommierten Bühnen Deutschlands und der westlichen Kunstwelt. Ein Feind in demokratischen Einrichtungen. Bis zum erbrechen wird hier gegrölt. Ein hoch dotierter Kunstmarktkünstler dem von Intellektuellen, Medienvertretern, Medienanstalten, Kulturellen Verantwortungsträgern, Museumsleuten bis hin zu Politikern ein Rang angedient wird der diesem nicht zusteht. Es wird manipuliert, mechanisch Wiederholt. Er wird als der große Künstler nach Beuys angepriesen. Der größte Künstler aller Zeiten überhaupt und das bei geschätzten 1,79. Dieses ganze superlativ Geplänke zum Verkaufserfolg und falschen Blechorden ist Starbusiness und sonst nichts. Das alles schadet der Kunst, dient nur dem Markt, dem schnöden Mammon. Der Wieczorek bezeichnet ihn, das Mesel, als Faschistenschmuser und sein klatschendes Publikum als Peinlichkeit im Anblick deutscher Geschichte, mit einem Leichengeruch bis in die Gegenwart. Hier darf nicht Vergessen werden. Blödeleien und Witzeleien kann er Deutschen nicht anraten. Wir tragen eine historische Verantwortung und die nachrückende Jugend ist da nicht ausgenommen. Österreich, und die ganzen faschistischen Koalitionäre der Nationalsozialisten, da ist noch vieles ins Licht zu setzen.

Der Wieczorek stellt sich hier zu in Opposition bis in einen angedachten Widerstand, der in einen faktischen umschlagen kann, ja muss wenn ein Zeitereignis dies erzwingt. Diskutieren Sie einmal, in ihren Reihen, den Widerstandsparagrafen des Grundgesetzes, Artikel 20, auch im tangierenden Kontext, eines in Deutschland durch Richterspruch nicht erlaubten Politischen Streik. Zwischenbemerkung: Richtern ist Gottbefugnis zu nehmen. Das Recht auf den Politischen Streik wird seit geraumer Zeit gefordert und der Wieczorek unterstützt diese Forderung, weil er der Ansicht ist das eine überlebensfähige Demokratie diese Streikform zwingend benötigt.

Das Grundgesetz, eine Reflektion zu einzelnen Artikeln, der Ausbau und Weiterbau einzelner Artikel liegt dem Wieczorek am Herzen. Seit Jahrzehnten wird dieses Anliegen immer wieder in Kunstwerken, Texten, Poesien, Performances transformiert. Auf youtube, „Vermögen vermöge vermögen“, als Beispiel gegeben.

Er will sein Vermächtnis in einem Ideengerüst Namens KUNSTdemokratie einbringen, die als Stiftung organisiert werden soll. Zitat aus dem Entwurf zu einer Präambel:

„Die Stiftung namens KUNSTdemokratie soll von ihrem Hauptanliegen her eine Arbeitsgemeinschaft aus Künstlern und Demokraten bilden die einen lebendigen Ort unterhalten an dem Arbeit-Spiel und Müßiggang eine produktive Einheit bilden.

Freie Kunstforschung–freie Demokratieforschung. Diese Arbeitsgemeinschaft ist eine Universität zur Erforschung freier Lebensentfaltung.

Eine Kunstforschung die am Erweiterten Kunstbegriff arbeitet und „spielt“.

Eine Demokratieforschung die an der demokratisierung der Demokratie sich orientiert und offene Grenzen in die Anarchie aufzeigt. Anarchie, als allgemeine Machtreduzierung bis Aufhebung, über den Menschen.

Die Stiftung sammelt, archiviert, forscht, veröffentlicht und fördert die Produktion von Außenseitern auf allen Gebieten der Künste und Gesellschaftstheorien jenseits etablierter Strukturen oder das von den etablierten Strukturen verworfene bzw. nicht wahrgenommene.

In der jeweiligen Gegenwart bildet die Bestandssicherung und Nachlasssicherung der Außenseiterproduktionen den Schwerpunkt.

Die Stiftung soll ein Ort der Lebendigkeit, Öffentlichkeit und des ständigen Handelns sein das sich am Gemeinwohl orientiert und ihren Gemeinschaften nachahmenswerte Modelle vorlebt.

Die Stiftung versteht sich als ewige konstruktive Opposition und will höhere Organisationsformen des menschlichen provozieren.“

Hier in dieser Ausstellung sind einige Arbeiten zu erwerben, dessen Erlös ausschließlich für die Gründung der Stiftung vorgesehen sind. Es sind Arbeiten im DIN A 1 Format, mit 500,-€ sind Sie dabei. In seiner Produzentengalerie steht ein Hundt, es ist die KUNSTbank der KUNSTdemokratie und hier sind weitere Arbeiten dieser Art zu erwerben. Unterstützen Sie, kaufen Sie. Im weiteren werden einige tausend Arbeiten hierfür aus dem Oeuvre bereitgestellt. Da sind schon einige Kollegen die Mitwirken. Wir wollen darüber hinaus ein Mehrgenerationenhaus mit Produktionsstätten auf Genossenschaftsbasis dieser Stiftung angliedern. Ein wichtiges Anliegen für uns ist es unser Alt werden durch kollektive Prozesse zu schützen.

Genug über den politischen Künstler.

HYPERION AN BELLARMIN

Da ich noch ein stilles Kind war und von dem allem, was uns umgibt, nichts wußte, war ich da nicht mehr, als jetzt, nach all den Mühen des Herzens und all dem Sinnen und Ringen?
Ja! ein göttlich Wesen ist das Kind, so lang es nicht in die Chamäleonsfarbe der Menschen getaucht ist.
Es ist ganz, was es ist, und darum ist es so schön.
Der Zwang des Gesetzes und des Schicksals betastet es nicht;
im Kind ist Freiheit allein.
In ihm ist Frieden; es ist noch mit sich selbst nicht zerfallen.
Reichtum ist in ihm; es kennt sein Herz, die Dürftigkeit des Lebens nicht. Es ist unsterblich, denn es weiß vom Tode nichts.

Aber das können die Menschen nicht leiden. Das Göttliche muß werden, wie ihrer einer, muß erfahren, daß sie auch da sind, und eh´ es die Natur aus seinem Paradiese treibt, so schmeicheln und schleppen die Menschen es heraus, auf das Feld des Fluchs, daß es, wie sie, im Schweiße des Angesichts sich abarbeite.

Aber schön ist auch die Zeit des Erwachens, wenn man nur zur Unzeit uns nicht weckt.

Hölderlin

Jahrgang 1956.
Eine Schulkarriere im Gnadenbrot.
Deutsche Rechtschreibung nahezu immer als Mangelhaft beurteilt.
Der Diplom Soziologe, er hat sich bemüht.
Der Künstler blieb Autodidakt da die Akademie sich als Ausbildungsverweigerer hinstellt.
Bedenkenträger störten sein Leben immer, wenn es hieß, gib mir auch mal was.
Aber der Wieczorek versteht es sich im ärmlichen königlich Durchzuschlagen.
Ein Nachkriegskind, sein LKW ist eine Schubkarre.
Eine proletarische Sozialisation unter Kumpels in Dinslaken.
Überzeugter Gammler in der Jugend, es war im Ruhrgebiet.
Da schaut er zurück und sieht so manchen Angeber des Erfolges und der Etikette darniederliegen.
Die größten Lebenstriumphe feiert jeder Insich, in seinen Einsamen letzten Lebenssekunden.
Der innere Gerichtshof tagt, das Gewissen.
Bei aller Arbeit, es wird gelebt, es wird gefeiert.

Die Ausstellung ist eröffnet.

21./23. 6. 2013 zu Berlin